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Donnerstag, Oktober 25, 2012
Bronislav Roznos geht
25.10.2012
Bronislav Roznos geht
Nun verlässt auch Tanztheaterchef Bronislav Roznos das Volkstheater. Hauptgrund sind – neben den Dauerquerelen am Theater um Neubau, Konzepte und Personalien – die schlecht gefüllten Besucherreihen bei den Aufführungen seiner Compagnie.
Jetzt, wenige Tage nach der Premiere von "Die Erschaffung der Welt", macht der Kopf des Tanztheaters Bronislav Roznos wahr, was er bei der Bekanntmachung des Spielplans für die neue Theatersaison im Mai angekündigt hatte: Er bringe diese Wiederaufnahme aus Zwickau auf die Rostocker Bühne, um ein Massenpublikum zu erreichen. Wenn auch das nicht funktioniere, werde er sich zurückziehen.
"Seit meinem Arbeitsbeginn am Volkstheater vor vier Jahren war mir bewusst, dass das Theater in einer schwierigen Krise steckt. Mit dem neuen Intendanten Peter Leonard sollte es aber aufwärts gehen", denkt der Tscheche an seine Anfänge an der Warnow zurück. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. "Die Situation hat sich nach und nach eher verschlechtert. Künstlerische Konzepte rücken vor den Problemen der Politik, der Finanzen und der haustechnischen Probleme in den Hintergrund", urteilt er heute und fügt hinzu: "Ich habe in meiner künstlerischen Laufbahn als Ballettdirektor in 17 Jahren sechs Intendanten erlebt, die Rekonstruktion des Nationaltheaters Mannheim, Asbestsanierung am Theater Zwickau, die Fusion der Theater Plauen-Zwickau und hier in Rostock den Kampf ums Überleben des Theaters mit einer Hauptspielstätte, die für eine Brandschutzsanierung eineinhalb Jahre geschlossen werden musste." All das habe ihn für Krisensituationen gut gewappnet und sein Entschluss, Rostock zu verlassen, sei nicht allein auf die Querelen ums Theater zurückzuführen.
"Das Theater in Rostock wird nur sehr sporadisch von der Bevölkerung in Anspruch genommen", nennt er den Hauptgrund. Oft genug waren selbst die Premierenkarten fürs Tanztheater nur zur Hälfte verkauft, so auch am Sonnabend bei "Die Erschaffung der Welt". Ein Stück, das wirklich kinderleicht daher kommt – nach Roznos' teils sehr düsteren Stücken wie "Mephistosyndrom" und "Primäraffekt", die die Schattenseiten des menschlichen Daseins ausloten. "Ich möchte mit meiner Arbeit auch anderes Publikum erreichen und ansprechen", führt Bronislav Roznos an. Er werde sich um eine Festanstellung an einem anderen Haus bemühen, da sei aber noch nichts spruchreif. "Im Moment habe ich zwei Gast-Choreographien in Tschechien in Aussicht." Außerdem habe ihm Peter Leonard angeboten, in der kommenden Spielzeit als Gast in Rostock zu inszenieren. Was Bronislav Roznos sehr gerne möchte – voraussichtlich lässt er seine Tänzer zurück, mit denen er großteils seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet und die ihm aus Sachsen an die Ostsee gefolgt sind. "Sie zu verlassen, das bereitet mir den allergrößten Kummer. Aber so eine Chance wie vor vier Jahren, als ich sie alle mitnehmen konnte, bietet sich nicht sehr oft." Die Leitung soll seine bisherige Assistentin und frühere Tänzerin Katja Taranu übernehmen. Einige seiner Tänzer sind bereits dabei, sich an der Warnow ein zweites Standbein aufzubauen – als Lehrer beim "Tanzland".
Bis zum Ende der aktuellen Spielzeit versucht Bronislav Roznos sein Glück beim Rostocker Publikum noch einmal mit der Premiere von "Widernatürliche Liaison" und der Wiederaufnahme von "Frida Kahlo". Die letzte Aufführung von "Birth of Love" an der Societät maritim am Sonnabend ist abgesagt – offiziell wegen Krankheit. Inoffiziell kollidiert die Aufführung mit der Langen Nacht der Museen – und der Kartenvorverkauf lief schleppend.
KOMMENTAR
Ein Trauerspiel
Rostock hat das Beste vergeigt, was es in jüngster Zeit an großer Kunst zu bieten hatte: eine Compagnie, die es mit einem verwöhnten Großstadtpublikum wie in Berlin, Hamburg, Köln hätte aufnehmen können. Mit einem unglaublich kreativen Kopf, der nicht nur was von Tanztheater, sondern auch von Musik und all den Möglichkeiten versteht, die Computertechnik heute bietet. Der mit Robert Schrag einen ebenso genialen Bühnen- und Kostümbildner zur Seite und sich in vielen Jahren ein Ensemble aufgebaut hat, dass seine Ideen umzusetzen versteht. Mit dem Ergebnis, dass auch der größte Ballettmuffel, der in eine seiner Aufführungen gezwungen wird, bekehrt herauskommt. Oder zumindest sagt: "Och, kann man sich durchaus angucken." Von den Freunden des modernen Tanzes ganz zu schweigen – die gehen gleich mehrmals in die gleiche Inszenierung. Wenn sie von dieser wissen. Ich kenne nicht einen, der nicht begeistert gewesen wäre von "Frida Kahlo", "Tango", "Pinocchio". Aber viele, die nie zuvor gehört haben, dass es auch "Pieces of Art" gab und "Birth of Love". Schlechte Werbung war ein Grund für die schlechten Besucherzahlen. Dass sich Kinder und Jugendliche im Sommer für einen Workshop mit den Tänzern anmelden konnten, erfuhren die Informationsverbreiter bei den Medien erst wenige Tage vor Beginn. Für sein Sommerstück "Pieces of Art" rührte Bronislav Roznos nahezu allein die Werbetrommel, ebenso für "Birth of Love", das er mit der Societät maritim auf die Beine gestellt hatte. Und doch kann's schlechte Reklame allein nicht gewesen sein: Andere Stücke des Volkstheaters, nicht besser beworben, sind ausverkauft. Und ernten Standing Ovations und lobhudelnde Kritiken, bei denen ich mir verwundert Augen und Ohren reibe. Während sich das Tanztheater immer wieder mit halb leeren Stuhlreihen begnügen musste, die auch der begeistertste Applaus von den besetzten Plätzen nicht zu kaschieren vermag. Applaus ist zu großem Teil der Lohn, von dem und für den Künstler leben. Zumal, wenn sie wie der andernorts gefeierte Publikumsliebling Bronislav Roznos stets damit verwöhnt wurden. Die Zwickauer wussten seine Arbeit zu schätzen und andere werden das in Zukunft auch tun. Ob seine Truppe tatsächlich bleibt – und sein Werk fortführen kann – werden wir sehen. Falls nicht, hat Rostock wieder die Spielstätte, die es verdient. Eine, die mit P anfängt und mit -vinztheater aufhört.
RENATE GUNDLACH
Leserkommentare
Christian Bender, 26.10.2012 | 11:48:
Der Kommentar trifft es genau. Sehr, sehr schade und in der Tat auch etwas peinlich für Rostock - wie überhaupt das ganze Theater-Elend.
Vielen Dank an dieser Stelle für viele eindrucksvolle und bewegende Inszenierungen!
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