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Donnerstag, Oktober 25, 2012

Bürgermeinung: Es fehlt an einem realistischen Konzept

Angesichts des von den Verantwortlichen verursachten Theaterdilemmas kann es nicht wundern, dass es Reaktionen wie die nachstehend gibt:

OZ-Leserbrief vom 25.10.2012 14:09

Sehr geehrte Frau Jonas

Manchmal fällt es einem schwer, die Ruhe zu bewahren. Sie sprechen für einen 150-köpfigen Theaterfreundekreis und fordern eine Investition von über 50 Mio. Euro. Diese Investition würde den Großraum Rostock und damit ca. 500 000 Menschen betreffen. Ich helfe Ihnen beim Rechnen. 100 Euro ca. pro Einwohner wären das, die Sie da so selbstverständlich einfordern. Dass es mehr Theatergänger, als die genannten 150 Personen gibt, ist klar. Aber Sie sind trotzdem eine überschaubare Minderheit.

Laut einer Untersuchung der Uni Rostock (die mittlerweile ca. 10 Jahre alt ist), gehen ca. 20 Prozent der volljährigen Rostocker mindestens einmal im Jahr ins Theater. Wenn dem so ist, haben Sie dort die Gruppe, die SIE zur Kasse bitten können, aber bitte lassen Sie den Rest mit Ihrem Hobby in Ruhe. Eine Einmalabgabe pro Theatergänger in Höhe von 500 Euro, und das Thema wäre durch (Ironie!). Überhaupt: Warum hört man Ihren Namen nie im Zusammenhang mit realistischen Konzepten? Mit Plänen, die Ökonomie, Inhalt, Demographie in einer vertretbaren Art und Weise unter einen Hut bringen? Wenn ich auch nur den Hauch einer Möglichkeit hätte, würde ich Ihnen meine 100 Euro nicht geben.

schreibt Andreas Werner aus Rostock

Pläne, die Ökonomie, Inhalt, Demographie in einer vertretbaren Art und Weise unter einen Hut bringen - sie sind nicht einfach, aber machbar! Aber wer kann und wer will sie denn?

Posted by Dr. Günter Hering at 16:22
Edited on: Mittwoch, Dezember 05, 2012 16:47
Categories: Bürgermeinungen, Finanzen, Konzeption(en)

Bronislav Roznos geht

25.10.2012

Bronislav Roznos geht

Nun verlässt auch Tanztheaterchef Bronislav Roznos das Volkstheater. Hauptgrund sind – neben den Dauerquerelen am Theater um Neubau, Konzepte und Personalien – die schlecht gefüllten Besucherreihen bei den Aufführungen seiner Compagnie.

Jetzt, wenige Tage nach der Premiere von "Die Erschaffung der Welt", macht der Kopf des Tanztheaters Bronislav Roznos wahr, was er bei der Bekanntmachung des Spielplans für die neue Theatersaison im Mai angekündigt hatte: Er bringe diese Wiederaufnahme aus Zwickau auf die Rostocker Bühne, um ein Massenpublikum zu erreichen. Wenn auch das nicht funktioniere, werde er sich zurückziehen.

"Seit meinem Arbeitsbeginn am Volkstheater vor vier Jahren war mir bewusst, dass das Theater in einer schwierigen Krise steckt. Mit dem neuen Intendanten Peter Leonard sollte es aber aufwärts gehen", denkt der Tscheche an seine Anfänge an der Warnow zurück. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. "Die Situation hat sich nach und nach eher verschlechtert. Künstlerische Konzepte rücken vor den Problemen der Politik, der Finanzen und der haustechnischen Probleme in den Hintergrund", urteilt er heute und fügt hinzu: "Ich habe in meiner künstlerischen Laufbahn als Ballettdirektor in 17 Jahren sechs Intendanten erlebt, die Rekonstruktion des Nationaltheaters Mannheim, Asbestsanierung am Theater Zwickau, die Fusion der Theater Plauen-Zwickau und hier in Rostock den Kampf ums Überleben des Theaters mit einer Hauptspielstätte, die für eine Brandschutzsanierung eineinhalb Jahre geschlossen werden musste." All das habe ihn für Krisensituationen gut gewappnet und sein Entschluss, Rostock zu verlassen, sei nicht allein auf die Querelen ums Theater zurückzuführen.

"Das Theater in Rostock wird nur sehr sporadisch von der Bevölkerung in Anspruch genommen", nennt er den Hauptgrund. Oft genug waren selbst die Premierenkarten fürs Tanztheater nur zur Hälfte verkauft, so auch am Sonnabend bei "Die Erschaffung der Welt". Ein Stück, das wirklich kinderleicht daher kommt – nach Roznos' teils sehr düsteren Stücken wie "Mephistosyndrom" und "Primäraffekt", die die Schattenseiten des menschlichen Daseins ausloten. "Ich möchte mit meiner Arbeit auch anderes Publikum erreichen und ansprechen", führt Bronislav Roznos an. Er werde sich um eine Festanstellung an einem anderen Haus bemühen, da sei aber noch nichts spruchreif. "Im Moment habe ich zwei Gast-Choreographien in Tschechien in Aussicht." Außerdem habe ihm Peter Leonard angeboten, in der kommenden Spielzeit als Gast in Rostock zu inszenieren. Was Bronislav Roznos sehr gerne möchte – voraussichtlich lässt er seine Tänzer zurück, mit denen er großteils seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet und die ihm aus Sachsen an die Ostsee gefolgt sind. "Sie zu verlassen, das bereitet mir den allergrößten Kummer. Aber so eine Chance wie vor vier Jahren, als ich sie alle mitnehmen konnte, bietet sich nicht sehr oft." Die Leitung soll seine bisherige Assistentin und frühere Tänzerin Katja Taranu übernehmen. Einige seiner Tänzer sind bereits dabei, sich an der Warnow ein zweites Standbein aufzubauen – als Lehrer beim "Tanzland".

Bis zum Ende der aktuellen Spielzeit versucht Bronislav Roznos sein Glück beim Rostocker Publikum noch einmal mit der Premiere von "Widernatürliche Liaison" und der Wiederaufnahme von "Frida Kahlo". Die letzte Aufführung von "Birth of Love" an der Societät maritim am Sonnabend ist abgesagt – offiziell wegen Krankheit. Inoffiziell kollidiert die Aufführung mit der Langen Nacht der Museen – und der Kartenvorverkauf lief schleppend.

KOMMENTAR

Ein Trauerspiel

Rostock hat das Beste vergeigt, was es in jüngster Zeit an großer Kunst zu bieten hatte: eine Compagnie, die es mit einem verwöhnten Großstadtpublikum wie in Berlin, Hamburg, Köln hätte aufnehmen können. Mit einem unglaublich kreativen Kopf, der nicht nur was von Tanztheater, sondern auch von Musik und all den Möglichkeiten versteht, die Computertechnik heute bietet. Der mit Robert Schrag einen ebenso genialen Bühnen- und Kostümbildner zur Seite und sich in vielen Jahren ein Ensemble aufgebaut hat, dass seine Ideen umzusetzen versteht. Mit dem Ergebnis, dass auch der größte Ballettmuffel, der in eine seiner Aufführungen gezwungen wird, bekehrt herauskommt. Oder zumindest sagt: "Och, kann man sich durchaus angucken." Von den Freunden des modernen Tanzes ganz zu schweigen – die gehen gleich mehrmals in die gleiche Inszenierung. Wenn sie von dieser wissen. Ich kenne nicht einen, der nicht begeistert gewesen wäre von "Frida Kahlo", "Tango", "Pinocchio". Aber viele, die nie zuvor gehört haben, dass es auch "Pieces of Art" gab und "Birth of Love". Schlechte Werbung war ein Grund für die schlechten Besucherzahlen. Dass sich Kinder und Jugendliche im Sommer für einen Workshop mit den Tänzern anmelden konnten, erfuhren die Informationsverbreiter bei den Medien erst wenige Tage vor Beginn. Für sein Sommerstück "Pieces of Art" rührte Bronislav Roznos nahezu allein die Werbetrommel, ebenso für "Birth of Love", das er mit der Societät maritim auf die Beine gestellt hatte. Und doch kann's schlechte Reklame allein nicht gewesen sein: Andere Stücke des Volkstheaters, nicht besser beworben, sind ausverkauft. Und ernten Standing Ovations und lobhudelnde Kritiken, bei denen ich mir verwundert Augen und Ohren reibe. Während sich das Tanztheater immer wieder mit halb leeren Stuhlreihen begnügen musste, die auch der begeistertste Applaus von den besetzten Plätzen nicht zu kaschieren vermag. Applaus ist zu großem Teil der Lohn, von dem und für den Künstler leben. Zumal, wenn sie wie der andernorts gefeierte Publikumsliebling Bronislav Roznos stets damit verwöhnt wurden. Die Zwickauer wussten seine Arbeit zu schätzen und andere werden das in Zukunft auch tun. Ob seine Truppe tatsächlich bleibt – und sein Werk fortführen kann – werden wir sehen. Falls nicht, hat Rostock wieder die Spielstätte, die es verdient. Eine, die mit P anfängt und mit -vinztheater aufhört.

RENATE GUNDLACH

Leserkommentare

Christian Bender, 26.10.2012 | 11:48:

Der Kommentar trifft es genau. Sehr, sehr schade und in der Tat auch etwas peinlich für Rostock - wie überhaupt das ganze Theater-Elend.

Vielen Dank an dieser Stelle für viele eindrucksvolle und bewegende Inszenierungen!

Links

Zeichenkunst auf der Tanzbühne

Lieber ein Ende mit Schrecken?

Dienstag, Oktober 23, 2012

Rostocks mühsamer Weg zum neuen Volkstheater - kein Kommentar

Die NNN berichtet in ihrer Ausgabe vom 23. Oktober 2012 folgendes:

Ein großes Fest soll es werden, bei dem Rostock sich selbst feiert und alles zusammenkommt, was an der Warnow Rang und Namen hat. Schon jetzt verhandeln Stadtpolitiker um die Plätze in der ersten Reihe, wenn das neue Rostocker Volkstheater eröffnet wird. 2018, zur Feier des 800-jährigen Stadtjubiläums. Dass das neue Haus zu dem Termin aber tatsächlich stehen wird, ist mittlerweile mehr als fraglich.

In der Zwickmühle - und zwar mehrfach

Denn weder der Standort ist klar noch gibt es eine Kostenschätzung oder ein Finanzierungskonzept. Ungewiss ist auch, wie vielen Künstlern und Sparten der Neubau Platz bieten muss, solange die Debatte auf Landesebene zur Theaterstruktur nicht abgeschlossen ist. Ein Großteil der dort vorgeschlagenen Modelle setzt aber einen Theater-Neubau in Rostock voraus. Und den machen auch die Gewerkschaften zur Bedingung für einen Haustarif - der nötig ist, um die akut drohende Pleite abzuwenden. Rostock steckt gleich mehrfach in einer Zwickmühle und tut dennoch kaum etwas, um sich daraus zu befreien.

Dabei sehen Bürgerschaft und Verwaltung sich gegenseitig in der Verantwortung für den Stillstand. "Die Bürgerschaft hat alle Beschlüsse getroffen", sagt deren Präsidentin Karina Jens (CDU) über den Weg zu einem Bühnen-Neubau. Die meisten Fraktionen sind ebenfalls der Meinung, nun sei die Verwaltung am Zug, konkrete Vorschläge zu machen, wie und wo ein Neubau umzusetzen wäre, und durchzurechnen, wie viel das kostet. Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) und das ihm unterstellte Planungsamt liefern aber seit Monaten keine Ergebnisse und blockieren damit den Neubau-Prozess.

Stattdessen rechnet Methling den Fraktionen vor, dass Rostock sich das Theater in seiner jetzigen Struktur nicht mehr leisten könne und seine Entwicklung dadurch gehemmt sei. "Möglich wäre eine Reduzierung von einem Vier- auf ein Zwei-Sparten-Theater", schlug der OB jetzt im Finanzausschuss vor - und damit der Bürgerschaft ins Gesicht. Denn diese hatte bei der GmbH-Gründung und mit dem betriebswirtschaftlichen Konzept 2012 ein Vier-Sparten-Haus beschlossen.

Dass Methling seinen Vorschlag dennoch ins Spiel bringt, ist auch im Zusammenhang mit der Landesdebatte zu sehen, die zurzeit alle Diskussionen auf kommunaler Ebene überlagert. Das Kultusministerium lässt von den Kommunen als Theaterträger gerade neun Vorschläge für die künftige Bühnenstruktur in Mecklenburg-Vorpommern diskutieren, darunter verschiedene Fusionsmodelle. Gestern ließ Methling im Hauptausschuss durchblicken, dass er das Autonomie-Modell favorisiert. Angesichts der Landesdiskussion beginnt nun auch in der Bürgerschaft der Rückhalt für die vier Sparten zu bröckeln.

Ob sich Methling von seinem Zwei-Sparten-Vorschlag mit einem Seitenblick auf die Landesregierung die Chance auf eine finanzielle Förderung für einen Neubau verspricht, lässt er offen. Deutlich macht er aber, dass er im Windschatten der Landesdebatte die Chance sieht, die öffentlichen Zuschüsse für die Bühne weiter zu reduzieren. Die rund 17,5 Millionen Euro, die die Bühne jetzt bekommt, sollen bis 2018 jährlich um je eine Million mehr abschmelzen - auf schließlich 12,5 Millionen.

Für den künstlerischen Betrieb des Volkstheaters stellt das eine akute Bedrohung dar. Denn schon jetzt hat die GmbH ein Minus von 1,3 Millionen Euro. "Ohne finanzielle Hilfe von der Stadt könnte ich zehn Stellen im Schauspielbereich nicht nachbesetzen, müsste die Etats für Gastkünstler, Ausstattung und Investitionen immer weiter kürzen", sagt Geschäftsführer Stefan Rosinski.

Der schleichende Tod droht

Die Folge: Ab Herbst 2013 könnte das Theater keine Neuproduktionen mehr zeigen, würde damit immer weniger Besucher anlocken, und so die FAG-Mittel immer weiter drücken. Alles zusammen würde den schleichenden Tod der Bühne bedeuten.

Ohne Kunst und Künstler, die einen Neubau mit Leben füllen, bräuchte Rostock sich aber nicht mehr über einen Standort oder eine Finanzierung zu streiten - und könnte sich schon jetzt um einen alternativen Saal für den Festakt zum Stadtjubiläum umsehen.

Roznos geht

Die Ostseezeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 23.10.2012:

Ballettdirektor schmeißt hin

Bronislav Roznos (45), verlässt das Volkstheaters Rostock zum Ende der Spielzeit 2012/13. Er soll mit dem Stillstand am Theater unzufrieden sein.

Rostock (OZ) - Der Ballettdirektor des Volkstheaters Rostock, Bronislav Roznos (45), verlässt das Haus zum Ende der Spielzeit 2012/13. Roznos soll mit dem Stillstand am Theater unzufrieden sein, wollte sich dazu auf OZ-Nachfrage am Dienstag jedoch nicht äußern. Offiziell heißt es, der Chef-Choreograph verlasse das Haus „aus persönlichen Gründen“. Roznos, der 2009 nach Rostock kam hat am Volkstheater spektakuläre Tanzinszenierungen wie „Pinocchio“, „West Side Story“ oder zuletzt „ Die Erschaffung der Welt“ auf die Bühne gebracht. Intendant Peter Leonard sagte am Dienstag: „Wir bedauern diese Entscheidung sehr. Das Tanztheater Bronislav Roznos hat wunderbare Produktionen in Rostock auf die Bühne gebracht.“ Die Leitung des Tanzensembles übernimmt zum 1. August 2013 die Künstlerische Assistentin und Choreografin, Katja Taranu.

Wen wundert es? Andernorts hat der Mann zu recht volle Häuser. Hier wurden seine Aufführungen kaum bis gar nicht beworben. Auch ich bin nur durch Zufall auf seine Inszenierungen gestoßen.

Posted by Dr. Günter Hering at 16:18
Categories: Personal, Tanztheater